Kató Lomb: Die polyglotte Dolmetscherin, die das Sprachenlernen revolutionierte
Von ihren Lehrern als „sprachlich unbegabt“ eingestuft, wurde Kató Lomb zu einer der erfolgreichsten Polyglotten der Geschichte und zu einer Pionierin auf dem Gebiet des Simultandolmetschens. Als ausgebildete Chemikerin ohne natürliche Begabung für Sprachen entwickelte sie eine einzigartige, praktische und zutiefst inspirierende Methode, die bewies, dass jeder fließend sprechen lernen kann. Im Laufe ihres bemerkenswerten Lebens nutzte sie aktiv sechzehn verschiedene Sprachen und veränderte damit für immer unser Verständnis davon, wie wir lernen.
Ein unkonventioneller Weg zur Sprachbeherrschung
Kató Lombs Reise begann nicht in einem Klassenzimmer, sondern im Schmelztiegel des Zweiten Weltkriegs. Mit einem Doktortitel in Physik und Chemie schien ihr Weg in die Wissenschaft vorgezeichnet. Doch als sie während des Krieges gezwungen war, sich zu verstecken, griff sie zu einem russischen Groschenroman und einem Wörterbuch. Aus reiner Neugier und dem Wunsch, ihren Geist zu beschäftigen, begann sie, sich die Sprache selbst beizubringen. Dieser einzige Akt sollte eine lebenslange Leidenschaft entfachen und den Grundstein für ihre gesamte Philosophie legen.
Nach dem Krieg nutzte sie ihre neuen Russischkenntnisse, um Dolmetscherin zu werden, und startete damit eine außergewöhnliche Karriere, die sie in über 40 Länder führte. Sie wurde eine der weltweit ersten Simultandolmetscherinnen, arbeitete professionell mit zehn Sprachen und übersetzte Fachliteratur in sechs. Ihr sprachliches Repertoire war überwältigend und umfasste unter anderem Russisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Japanisch, Chinesisch und Polnisch.
Sie zog eine klare Trennlinie und bezeichnete sich selbst nicht als „Linguistin“ im akademischen Sinne, sondern als „Lingvistin“ – ein Begriff, den sie für eine leidenschaftliche, praktische Anwenderin von Sprachen verwendete. Für sie waren Sprachen keine Objekte wissenschaftlicher Studien, sondern Werkzeuge zur Verbindung und Fenster zu neuen Welten.
Die Kató-Lomb-Methode: Motivation statt Talent
Im Zentrum von Lombs Philosophie steht eine einfache, aber kraftvolle Idee: Talent wird überbewertet. Sie beschrieb den Erfolg beim Sprachenlernen mit einer berühmten Formel:
Erfolg = (Motivation + Investierte Zeit) / Hemmungen
Ihre Methode basiert darauf, die Motivation zu maximieren und die Angst vor Fehlern zu minimieren. Hier sind ihre Kernprinzipien:
- Folge deinen Interessen, nicht einem Lehrplan. Lomb bestand darauf, dass du in Inhalte eintauchen solltest, die dich wirklich faszinieren. Ob es ein Kriminalroman, ein technisches Handbuch oder eine Promi-Zeitschrift ist – echtes Interesse ist der Treibstoff für das Lernen. Wie sie berühmt sagte: „Eine Sprache ist das Einzige, was sich lohnt, auch nur schlecht zu können.“
- Tauche in fesselnde Inhalte ein. Sie setzte sich für das ein, was sie ein „Bücherbad“ nannte. Die Idee ist, ein Buch in deiner Zielsprache auszuwählen und es von Anfang bis Ende zu lesen. Widerstehe dem Drang, jedes einzelne Wort nachzuschlagen. Versuche stattdessen, den Handlungsverlauf aus dem Kontext zu erfassen, und greife nur dann zum Wörterbuch, wenn ein wiederkehrendes Wort dein Verständnis blockiert.
- Hab keine Angst davor, Fehler zu machen. Die Angst vor Fehlern ist die größte Hürde beim Sprechen. Lomb glaubte, dass selbst ein grammatikalisch fehlerhafter Satz ein Erfolg ist, weil er eine Brücke der Kommunikation baut. Sie ermutigte Lernende, mutig zu sprechen und Unvollkommenheit zu akzeptieren.
- Schaffe einen sprachlichen Kern. Bevor du tief in die Grammatik eintauchst, baue ein solides Fundament auf. Lies und höre ausgiebig, um ein Gefühl für den Rhythmus und die Struktur der Sprache zu bekommen. Sobald du dieses Kernverständnis hast, werden Grammatikregeln mehr Sinn ergeben, da sie Ordnung in das bringen, was du bereits intuitiv weißt.
- Mach die Sprache zur täglichen Gewohnheit. Beständigkeit ist der Schlüssel. Konzentrierte 10–15 Minuten pro Tag sind weitaus effektiver als eine mehrstündige Lernsitzion einmal pro Woche. Nutze „tote Zeit“ – wie das Pendeln oder das Warten in einer Schlange – um Vokabeln zu wiederholen oder einen Podcast zu hören.
- Gewöhne dich an den Klang deiner eigenen Stimme. Lies Texte laut vor und sprich mit dir selbst in der Zielsprache. Das hilft dir, die psychologische Hürde des Sprechens zu überwinden und verbessert deine Aussprache und deinen Rhythmus, sodass du selbstbewusster wirst, wenn du mit anderen sprichst.
Ein bleibendes Vermächtnis
Kató Lombs Leben und Werk sind ein starkes Zeugnis für die Idee, dass mit dem richtigen Ansatz und genügend Motivation jeder eine Sprache lernen kann. Sie hat den Prozess entmystifiziert und den Fokus von angeborenem Talent auf eine praktische, freudvolle Beschäftigung verlagert. Ihr Vermächtnis inspiriert weiterhin unzählige Lernende auf der ganzen Welt und beweist, dass die Reise zur Sprachbeherrschung nicht mit einer besonderen Gabe beginnt, sondern mit einer einzigen, fesselnden Geschichte.